Stadt- und Quartiersforschung - zwischen Globalität und Lokalität

Die Stadtforschung hat sich internationalisiert – was angesichts zunehmender globaler Vernetzungen logisch und sinnvoll ist. Einerseits haben wir es mit einer immer größeren Zahl von schnell wachsenden "Megacities" zu tun, andererseits spielen in westlichen Industrieländern "Shrinking Cities" im Kontext demographischer Umbrüche eine zunehmende Rolle. Ein Erfahrungsaustausch ist hier fast schon eine Notwendigkeit, um unsere Städte adäquat weiterentwickeln zu können. Aktuelle Fragestellungen in der Stadtforschung sind oft durch die Ambivalenzen der Globalisierung gekennzeichnet: Zum einen werden internationale Städtenetze, neue Stadthierarchien und einzelne Städte als Steuerungszentralen der Weltwirtschaft (Global Cities) immer einflussreicher, andererseits nimmt aber auch die Bedeutung der lokalen Ebene mit ihren kulturellen und sozialen Eigenheiten zu ("Glokalisierung"). Die heutige Stadtforschung spielt sich deshalb nicht mehr nur „in der Stadt" ab, sondern sowohl auf der Metaebene der (Stadt-)Region als auch auf der Mesoebene des "Quartiers", sodass sich inzwischen auch eine eigens ausgewiesene "Quartiersforschung" etablieren konnte.

Steuerung und Urban Governance

Auch hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten haben sich die  Perspektiven vervielfacht: Zum einen setzt sich inzwischen die Erkenntnis durch, dass Stadtentwicklung eines politischen Engagements auf der nationalen oder sogar supranationalen Ebene bedarf. So führte die "Leipzig Charta für die nachhaltige europäische Stadt" der EU z.B. in Deutschland zur Institutionalisierung einer "Nationalen Stadtentwicklungspolitik". Andererseits werden "bottom-up"-Ansätze in der Stadt- und Quartiersentwicklung (z.B. Neighbourhood Branding, Soziale Stadt, partizipative Budgets) und lokale soziale Strukturen (z.B. lokales Sozialkapital, Nachbarschaftspotenziale) immer bedeutsamer. Hinsichtlich der Quartiersebene hat sich eine interdisziplinäre Forschungslandschaft herausgebildet, die sich u.a. mit Fragmentierungsprozessen (von Slum- und Squatter-Siedlungen bis hin zu Gated Communities), mit Nachhaltigkeit, Umwelt- und Generationengerechtigkeit, dem Klimawandel oder mit Fragen der Inklusion und der Integration von Zuwanderern befasst. Das Forschungsfeld "Governance", welches die Steuerung der Stadtentwicklung irgendwo zwischen Staat und Privatsektor verortet, spielt hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Es ist anzunehmen, dass in der urbanen Praxis auch künftig eine zunehmende Relevanz des Quartiers als Interventionsebene festzustellen sein wird.

Die Einordnung in übergreifende Prozesse und Kontexte ist auch bei der Arbeit an konkreten, praxisbezogenen Projekten vor Ort mit klar abgegrenzten Aufgabenstellungen relevant. So sind Quartiersstudien, Sozialreportagen o.ä. nur dann sinnvoll, wenn auch die externen (auch globalen) Einflüsse mitgedacht werden können, wie z.B. internationale Wanderungsbewegungen, Handlungslogiken internationaler Immobilienfonds oder Veränderungen in der Arbeitswelt.